Kunsttherapie ist eine relativ junge therapeutische und wissenschaftliche Disziplin. Sie fördert die Fähigkeit des Menschen, seine Umwelt unmittelbar über die Sinne wahrzunehmen und zu begreifen. Weiterhin setzt sie an einem tiefen Grundbedürfnis des Menschen an, sich gestalterisch auszudrücken und mit sich und anderen in Kontakt zu treten. Sie nutzt Vorgehensweisen, Erkenntnisse und Impulse der Bildenden Künste für die Begleitung heilender und entwicklungsfördernder Prozesse. Auf der Grundlage der therapeutischen Beziehung und im Zusammenwirken therapeutischer und bildnerisch-künstlerischer Vorgehensweisen unterstützt sie Menschen bei der Entfaltung ihres schöpferischen Potentials. Dabei zielt sie auf die Aktivierung von Selbstheilungskräften und die Erweiterung individueller Bewältigungsformen im Umgang mit Krisen und Krankheit.
Auf der Basis einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung werden innere Prozesse durch Materialien und Medien der
Bildenden Kunst sichtbar gemacht, Farb- und Formqualitäten mit eigenem Erleben und persönlichen Lebensmotiven verbunden. Sowohl die Gestaltungsprozesse selbst, wie auch die entstandenen Werke dienen
innerhalb des therapeutischen Geschehens als "Anschauungs- und Proberaum", in welchem Handlungen und Denkweisen betrachtet, weiterentwickelt und einer sinnvollen Wandlung unterzogen werden
können.
Die Kunsttherapie orientiert sich an den gesunden Anteilen des Menschen. Im kunsttherapeutischen Prozess können kreative Ressourcen neu entdeckt, Selbstheilungs-kräfte
mobilisiert sowie vielfältige Veränderungsprozesse angeregt werden. Kunsttherapie verweist darüber hinaus
auf eine an künstlerischen Vorgehensweisen orientierte Form der Gestaltung von Lebenszusammenhängen im individuellen und gesellschaftlichen Kontext.
Sie findet bei Menschen mit unterschiedlichen Erkrankungen und krisenhaften Entwicklungen in allen Lebensphasen sowie in
psychosozialen Zusammenhängen sinnvollen Einsatz.
Im kunsttherapeutischen Kontext werden Bilder oder Plastiken ebenso als Grundlage der Diagnostik eingesetzt, um persönliche Problemfelder zu erkennen, als auch, um positive Entwicklungspotentiale zu bestimmen. Somit kann an die durch ein Bild ersichtlich gewordenen Ressourcen des Menschen angeknüpft werden, um ihn in seiner weiteren Entwicklung zu stabilisieren und zu fördern. Kunsttherapie bietet eine ganzheitliche Möglichkeit, den Menschen zu behandeln, sowohl durch sinnliche als auch geistige Erfassung und Verarbeitung von individuellen Themen. In der Begegnung mit dem eigenen Bild, das Ausdruck von bewussten oder unbewussten Gefühlen und Bedürfnissen der PatientInnen ist, bietet die kunsttherapeutische Intervention eine Basis zur Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit. Sie trägt des Weiteren zur Förderung von Identifikationsprozessen mit dem Selbst und zur Entwicklung von Autonomie bei. Der Mensch lernt seine kreativen Potentiale kennen und erfährt schließlich durch die künstlerische Betätigung eine Stabilisierung des Selbstvertrauens und des Erlebens der eigenen Fähigkeiten der Entwicklung.
Als nonverbale Therapieform bietet sich die Kunsttherapie insbesondere in Bereichen an, in denen der Mensch einen Sprachausdruck ‚verweigert’ oder diesem nicht mehr, bzw. noch nicht zugänglich ist. Im Bild können notwendige Voraussetzungen geschaffen werden, sprachliche Seiten des Menschen zu aktivieren. Kunsttherapie dient somit der Förderung des Kommunikations- und Interaktionspotentials.